Zum Tag der Muttersprache hat die Heimatzeitung das Projekt « Sprache verbindet » besucht
Iserlohn. „Du warst mein erster Freund in Deutschland. Vielen Dank für alles, was du für mich gemacht hast“, liest Tommy Köhler vor – und man spürt, wie sehr diese Worte den 20-jährigen bewegen. Geschrieben hat sie Adomir, ein zehnjähriger Junge, der mit seiner Mutter vor dem Krieg aus seiner Heimat in der Ost Ukraine geflohen und in Iserlohn eine neue Heimat gefunden hat. Tommy Köhler hat Adomir im Rahmen des Projektes „Sprache verbindet“ des Rotary Club Iserlohn-Waldstadt beim spielerischen Erlernen der deutschen Sprache begleitet. Und er hat noch mehr als das getan: Für den Jungen, den der Krieg traumatisiert hatte, war Tommy so etwas wie ein Wegweiser in sein neues Leben. „Wir waren Döner essen haben gespielt, haben viel unternommen“, erzählt Köhler.
Irgendwann besuchte Köhler Adomir zum letzten Mal: „Ich konnte ihm nichts mehr beibringen“, sagte er. „Es war eine schwerer Entscheidung, aber ich habe alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Adomir spricht sehr gut Deutsch und besucht die sechste Klasse eines Gymnasiums. Er spielt Volleyball beim TUS Iserlohn, hat viele Freunde“, sagt er. Den Kontakt werden sie weiter halten, da ist Köhler, der derzeit seinen Bundesfreiwilligendienst absolviert und danach Lehramt in Dortmund studieren will, sicher. „Die Arbeit mit Adomir hat mich glücklich und unfassbar stolz gemacht. Bei „Sprache verbindet“ mitzumachen, war eine der besten Entscheidung meines Lebens.“
Eine Erfolgsgeschichte, wie sie sich Jürgen Schwerter, seit 2002 Projektleiter von „Sprache verbindet“, nicht besser hätte ausdenken können. Vor dem Gespräch mit der Heimatzeitung haben Tommy Köhler und Jürgen Schwerter, beide sind Teil der Projektgruppe, die sich wöchentlich trifft, überlegt wie sie das Projekt noch erfolgreicher machen können. Denn das ist es: Inzwischen haben weitere Rotary Clubs in anderen Städten das Projekt übernommen und bilden ebenfalls junge Oberstufenschüler zu Sprach-Scouts aus, die dann in Familien mit Migrationshintergrund Kindern im Alter zwischen vier und zehn Jahren beim Erlernen der deutschen Sprache helfen. In Iserlohn wurden seit dem Start 2000 Kinder betreut.
Schwerter ist seit Anfang an dabei, er hat das Projekt aus der Taufe gehoben und auch wenn er sich im Sommer etwas etwas mehr zurückziehen und das Projekt in die Hände von Anja Kirschner übergeben will, wird er doch seinen „Baby“ immer noch verbunden bleiben und sich auch weiterhin Stadt übergreifend engagieren.
Es gibt eine Warteliste für die Scouts
Die so genannten Sprach-Scouts werden vom Projekt und ihrem Sprachpaten ständig begleitet: Das beginnt mit den Workshops, in denen erfahrene Erzieherinnen, die Schüler auf ihre Arbeit mit den Kindern vorbereiten. Auch Materialien werden gestellt, die Sprachpaten sind immer ansprechbar und helfen, wenn Familie und Sprach-Scout womöglich keinen Draht zueinander finden. Die Plätze im Projekt sind begehrt: Für viele Iserlohner Oberstufenschüler ist es selbstverständlich, sich zu engagieren, es gibt sogar eine Warteliste für die Scouts.
Dass viele Kinder bei der Einschulung nur wenig Deutsch sprechen, weiß kaum jemand besser als Uli Römer, Schulleiter der Südschule und ebenfalls Mitglied im Projektkreis von „Sprache verbindet“. An der Südschule haben 85 % der Kinder ein Migrationshintergrund. Er informiert die Eltern regelmäßig über das Projekt des Rotary Clubs und hilft, Hemmungen abzubauen. Das Motto: „Sprich Deutsch!“ gelte längst nicht mehr. Studien hätten gezeigt, dass Kinder ihre Muttersprache sicher sprechen, eine zweite Sprache schneller lernen. Früher habe man oft vor dem Problem der „doppelten Halbsprachigkeit“ gestanden, meint auch Jürgen Schwerter. Das Kind konnte keine Sprache richtig. Römer rät den Eltern deshalb: „Sprechen Sie mit dem Kind seine Muttersprache und gönnen Sie dem Kind eine deutsche Kita, deutsche Freunde und Vereine.“
Kind und Scout begegnen sich auf Augenhöhe.
Ein Vorteil der jungen Sprach-Scouts sei, dass die Kinder sie nicht als Lehrer begriffen, sondern als Freund. Das Lernen geschehe spielerisch, fast wie nebenbei. Und ganz wichtig: „Es ist keine preiswerte Nachhilfe, auch wenn manche Eltern das anfangs nicht richtig verstehen oder verstehen wollen“, sagt Schwerter. Reich wird man als Scout nicht: Für jede Stunde Sprachförderung zahlen die Eltern der Kinder den Scouts vier Euro. Der Rotary Club verdoppelt den Einsatz. Ältere Scouts erhalten bis zu zehn Euro. Aber: „Das macht niemand wegen des Geldes“, sagt Jürgen Schwerter. Vielmehr hätten einige junge Menschen das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, etwas sinnvolles zu tun. Auch für den weiteren Lebensweg sei es, so wie oben bei Tommy Köhler, wegweisend: „Es gibt Scouts, die entscheiden sich danach für ein Studium im sozialen Bereich, sie haben dadurch völlig neue Erfahrungen gemacht.“
Das Projekt finanziert sich über Spenden. Umso willkommener war die Förderung in Höhe von 2005 Euro vom Pastoralverbund Iserlohn. „Wir hatten noch Restspenden von der Flüchtlingskrise 2015 und wir finden, dass das Geld beim Projekt gut aufgehoben ist“, meint Pfarrer Dietmar Schulte, der das Geld an Andreas Thiemann vom Rotary Club übergab.
© Text: Miriam Mandt-Böckelmann in der Heimatzeitung Iserlohn
Foto oben: Jürgen Schwerter (rechts) leitet das Projekt „Sprache verbindet“ des Rotary Club Iserlohn-Waldstadt seit mehr als 21 Jahren. Tommy Köhler hat von seinen Erfahrungen als Sprach-Scout berichtet.
Benefiz-Konzert in der Friedenskirche
Am Montag, 4. März, findet um 19:30 Uhr in der Letmather Friedenskirche das 22. Rotary Benefiz-Konzert statt. Das Trio con abbandono spielt emotionale und hochvirtuose Musik von Vivaldi bis Piazolla für Klarinette, Akkordeon und Cello. Rund 90 % Kosten für „Sprache verbindet“ werden seit 2002 mit den Benefiz-Konzerten finanziert.